Interview mit Berit Janson, Abteilungs­leiterin Studien­finanzierung

BAföG ist und bleibt die derzeit günstigste Art der Studienfinanzierung. In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Änderungen und Anpassungen, die das BAföG gerechter machen und dafür sorgen sollten, dass mehr Studierende von der staatlichen Unterstützung profitieren.

Ob diese Ziele erreicht worden sind und welche Auswirkungen im Bereich der Studienfinanzierung beim Studierendenwerk zu spüren waren, darüber sprachen wir mit Berit Janson, Abteilungsleiterin Studienfinanzierung und BAföG.

Inwiefern war insbesondere seit der letzten Reform spürbar, dass sich bezüglich des BAföGs etwas geändert hat?

Berit Janson: Um ganz ehrlich zu sein, einen echten Effekt der Reformmaßnahmen aus 2022 haben wir beim Studierendenwerk Dortmund kaum wahrgenommen. Die Veränderung der Zahlen mag das suggerieren, aber die Änderung hat aus unserer Sicht viel früher eingesetzt und hatte eher etwas mit der Corona-Pandemie zu tun. Es wurden insgesamt vier sogenannte Nullsemester festgelegt und Studierende, die aufgrund der Regelstudienzeit normalerweise aus der Förderung herausgefallen wären, haben weitere Anträge stellen können, die dann auch bewilligt wurden. Darüber hinaus waren während der Corona-Pandemie auch keine Leistungsnachweise erforderlich. Dadurch hat sich bei einer Vielzahl von Studierenden die Bezugsdauer für das BAföG erhöht, was natürlich die Antragszahlen insgesamt steigen ließ, aber eben nicht die Anzahl der Studierenden. Wir hatten also mehr Anträge, aber nicht mehr Studierende, die gefördert wurden. Das Bild wird leider verfälscht.

Haben Sie den Eindruck, dass die Reformen ausreichend sind?

Berit Janson: Wir plädieren schon seit Jahren für eine echte Strukturreform und die Anpassung des BAföGs an die Lebenswirklichkeit der Studierenden. Das erklärte Ziel: „Mehr BAföG für mehr Studierende“ ist aus meiner Sicht bislang nicht erreicht worden.

Stark erhöhte Lebenshaltungskosten, eine hohe Inflation – davon sind auch Studierende stark betroffen. Wie schätzen Sie die finanzielle Lage der Studierenden ein und welche Rückmeldungen erhalten Sie von ihnen?

Berit Janson: Uns berichten viele Studierende, dass sie mit den derzeitigen Bedarfssätzen kaum zurechtkommen. Die Mieten, die den größten Kostenanteil ausmachen, steigen und sind teilweise kaum noch durch die Wohnpauschale des BAföG gedeckt. Eine Untersuchung1 hat kürzlich ergeben, dass die BAföG-Pauschale von 360 Euro nur noch für weniger als ein Fünftel der Studierenden und nur in 26 von 94 Städten ausreicht. Hinzu kommen die gestiegenen Energiekosten und Lebensmittelpreise. Da bleibt am Ende des Monats so gut wie gar nichts mehr übrig. Die Lage ist für Studierende wirklich prekär und viele von ihnen leben an der Armutsgrenze.

Ein Großteil der Studierenden ist daher gezwungen, neben dem Studium arbeiten zu gehen und darunter leiden oftmals die Studienleistungen. Gerade in der letzten Zeit häufen sich auch die Rückmeldungen, dass Studierende ihr Studium aus finanziellen Gründen unterbrechen oder sogar aufgeben müssen. Auch die staatlichen Hilfen wie zum Beispiel der Energiekostenzuschuss sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Lage ist für Studierende wirklich prekär und viele von Ihnen leben an der Armutsgrenze.

Berit Janson, Abteilungsleiterin Studienfinanzierung

Was würden Sie gern verbessern?

Berit Janson: Zunächst einmal sollten die Bedarfssätze für die Studierenden sowie die Einkommensfreibeträge der Eltern – und insbesondere auch die Wohnkostenpauschale – noch weiter angehoben werden, damit ein Großteil der Studierenden überhaupt von der staatlichen Förderung profitieren kann. Wenn wir davon sprechen, dass das BAföG Bildungsgerechtigkeit schaffen soll, dann muss der Bedarfssatz mindestens in der Höhe des Bürgergeldes gezahlt werden und nicht darunter. Die letzte Erhöhung hat nicht einmal die Inflation ausgleichen können. Zudem ist die Antragsstellung immer noch viel zu kompliziert. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Eine echte Digitalisierung, die sowohl für die Antragsteller*innen als auch für die Sachbearbeiter*innen eine Entlastung bringt, würde sicherlich dazu führen, dass mehr Studierende BAföG beantragen. Denn ich gehe davon aus, dass es viel mehr Studierende gibt, die eine Förderung erhalten würden als derzeit Anträge stellen.

Auch die Ideen, das BAföG als reinen Zuschuss zu gewähren oder es unabhängig von den Eltern beantragen zu können, wären denkbar. Man muss ja nur einmal über unsere Grenzen blicken: In anderen Ländern wie beispielsweise Frankreich muss die Ausbildungsförderung nicht zurückgezahlt werden und Studierende, die nicht mehr zuhause wohnen, können Wohngeld beantragen. Auch das Thema der Elternabhängigkeit wird oftmals unterschätzt. Wir erleben es immer wieder, dass Eltern bei der Beantragung nicht mitspielen, die entsprechenden Informationen nicht zur Verfügung stellen oder aber, die Studierenden haben gar keinen Kontakt mehr zu einem Elternteil. Dann ist die Beantragung oftmals langwierig und die Situation für die Studierenden sehr schwierig.

Ende 2022 ging eine Nachricht durch die Medien, die davon berichtete, dass der BAföG-Antrag nun komplett digital gestellt werden könnte. Bei genauerer Betrachtung stellte sich aber heraus, dass die vom Bund propagierte Änderung zugleich Mehrarbeit für die Sachbearbeiter*innen in den Studierendenwerken bedeutete

Wie war das Studierendenwerk im Hinblick auf die Bearbeitung der Anträge davon betroffen?

Berit Janson: Die digitale Antragsstellung sieht derzeit so aus, dass die Studierenden ihren Antrag digital ausfüllen und über ein Portal hochladen. Von dort aus werden die Anträge an uns weitergeleitet und wir müssen sie dann ausdrucken. Man hat also einfach nur den Vorgang des Ausdruckens verlagert – nicht aber für eine echte Digitalisierung gesorgt. Derzeit gibt es noch keine einheitliche Lösung für eine vollkommen digitale E-Akte im BAföG – weder auf Landes- noch auf Bundesebene ist hier in naher Zukunft Abhilfe in Sicht. Dies hat dazu geführt, dass wir im Wintersemester sehr viele Anträge erhielten und diese erst ausdrucken mussten. Damit waren unsere Kolleg*innen teilweise täglich ein bis zwei Stunden beschäftigt. Zeit, die wiederum für die eigentliche Bearbeitung der Anträge fehlte. Das hat für einen großen Rückstau gesorgt. Wir hatten im Vergleich zu den Vorjahren ein Minus von ca. 10 Prozent hinsichtlich der bearbeiteten Anträge. Glücklicherweise konnten wir das aufholen und lagen zum Ende des ersten Quartals 2023 schon bei einem Plus von über 24 Prozent. Dies ist dem großen Engagement unserer Mitarbeiter*innen zu verdanken.

Welche Maßnahmen sind in dieser Hinsicht für das Studierendenwerk Dortmund geplant?

Berit Janson: Um dem Problem zu begegnen, haben wir uns in Dortmund dazu entschlossen, eine eigene Lösung zu etablieren. Wir werden 2023 bestimmte Abläufe mittels einer bereits im Hause verwendeten Software abbilden können, was für uns eine erhebliche Erleichterung darstellen wird. Wir können dann sämtliche Unterlagen, die zu einem Antrag eingereicht werden, digitalisieren und zu einer E-Akte zusammenführen. Für die Sachbearbeitung bedeutet dies, dass anhand der Förderungsnummer alle wichtigen Informationen mit einem Blick sichtbar sind und direkt erkannt wird, ob ein Antrag vollständig ist oder ob noch Unterlagen nachgereicht werden müssen. Die Studierenden haben dann den Vorteil, dass nun wirklich alle Dokumente digital erfasst werden können und wir erreichen somit eine vereinfachte Einreichung der Anträge, sowie hoffentlich eine schnellere Bearbeitung. Im Augenblick ist die Bearbeitung einfach nicht medienbruchfrei und wir arbeiten digital und analog zugleich. Von diesem neuen Workflow erhoffen wir uns kürzere Bearbeitungszeiten und damit auch eine schnellere Bewilligung der Leistungen.

Vorab müssen allerdings noch einige organisatorische sowie technische Details geklärt und Schulungsmaßnahmen umgesetzt werden.

*Anmerkung der Redaktion: Untersuchung des Moritz Mendelsohn Instituts, März 2023

Beschiedene Anträge im Jahresvergleich

Übersicht Förderung

Geförderte insgesamt:
9.443

Geförderte an staatl. Präsenzhochschulen:
8.168

Durchschnittliche Förderung monatlich:
593,37 €

Förderquote:
14,5 %

Entwicklung der ausgezahlten BAföG-Mittel in Mio. €